Bild von Dirk Steinsträter

Biografie


Lesezeit: ca. 14 Minuten


Make A Hippy Happy


Hi, ich heiße Dirk. Ich bin 1970 in Düsseldorf geboren und habe mich als Kind nicht wirklich viel für Musik interessiert, komme auch nicht aus einer musikalischen Familie. Sport war mein Ding. Die Schule hatte es mir nicht so angetan. Als ich mit 13 Jahren mal wieder so auf der Kippe stand, ob ich die nächste Klasse schaffe, versprachen mir meine Eltern eine Überraschung, falls ich nicht sitzen bleiben sollte. Also habe ich mich ins Zeug gelegt und die Versetzung geschafft.
Ich kam mit dem Zeugnis nach Hause und da stand es: ein Schlagzeug! Meine Eltern hatten es auf dem Trödelmarkt gekauft und es hatte eine irre Farbe, besser gesagt mehrere Farben: das Drumset leuchtete in allen Farben des Regenbogens. Ein richtig abgefahrenes Hippie-Schlagzeug! Von da an war es um mich geschehen. Sport und leider auch mal wieder die Schule, waren komplett abgeschrieben und ich wollte nur noch trommeln.
Gottseidank besorgten mir meine Eltern direkt einen Schlagzeuglehrer namens Volker Förster. Der war super. Volker legte viel Wert auf die Basics. Aber ich durfte mir auch immer Stücke aussuchen, die ich gerne machen wollte. Deal!


Bass Sensei


Ungefähr zwei Jahre später spielte mir ein Kumpel das erste Level 42 Album vor und das Instrument, was ich da hörte, haute mich komplett um. Es klang so rhythmisch wie ein Schlagzeug, erzeugte aber auch Melodien. Sowas hatte ich noch nicht gehört. Ich fragte ihn, was das für ein Instrument sei. Er klärte mich auf: ein E-Bass. What!? Ich dachte, ein Bass macht immer nur irgendwelche undefinierten Töne im Hintergrund. Ich wollte dieses Instrument sofort spielen lernen. Also hing ich meinen Eltern jeden Tag damit in den Ohren und irgendwann kapitulierten sie. Im damals angesagtem Ratinger Musikgeschäft Spiecker & Pulch durfte ich mir meinen ersten Bass, einen Ibanez Roadstar aussuchen. Aber auch hier wieder die Bedingung: nur mit Unterricht. Und wieder hatte ich totales Glück mit meinem ersten Basslehrer Frank Michaelis.
Sein Musikunterricht war aber schon etwas anders als der, den ich bisher kannte. Oft fühlte ich mich wie Daniel LaRusso aus Karate Kid und Frank war mein Mr. Miyagi. Ich wollte ja eigentlich nur den Bass slappen wie Mark King, aber Frank zeigte mir, dass es auch noch andere interessante Musik gab und spielte mir Alben von Steely Dan, King Crimson und Jaco Pastorius vor. Er hat mit mir über viele Dinge geredet, über die ich heute noch nachdenke. Mit anderen Worten: er hat mich eigentlich komplett für den Mainstream versaut. Aber eins nach dem anderen.


Punk, Funk und AC/DC


Bassisten werden immer gebraucht. Und schwuppdiwupp fand ich mich in einem Keller mit meinen Schulfreunden wieder. Wir spielten Punk und ich slappte dazu wie ein Wilder den Bass. Eigentlich hatten wir schon den Red Hot Chili Peppers Sound gefunden, bevor die Chili Peppers richtig bekannt wurden. Wir hatten von nichts ne Ahnung, aber es hat tierisch Spaß gemacht.
Dann kamen ein paar ältere und dementsprechend coolere Typen auf mich zu. Sie hatten eine AC/DC Coverband und suchten einen neuen Bassisten. Naja, warum nicht. Kann ja nicht so schwer sein, dachte ich. Eigentlich fand ich es aus der Perspektive des Bassisten nicht so spannend in einer Rock Coverband zu spielen. Aber die Jungs waren ziemlich angesagt und hatten auch schon regelmäßig Auftritte, bei denen sogar einige Mädels im Publikum waren. Der Drummer der Band war schon recht gut und ich merkte auf einmal, dass es gar nicht so leicht ist, den ganzen Abend Achtel zu zupfen. Schon mal gar nicht, wenn das Publikum richtig mitgehen soll. Also habe ich nach dem ganzen abgefahrenen Mark King Slap-Geballer angefangen gerade Achtelnoten mit dem Metronom zu üben. Und auf einmal passierte etwas: Nummern, mit einem recht einfachen Basslauf wie „The Jack“ machten auf einmal richtig Bock und die Konzerte gingen tierisch ab.
Dann wurden der Schlagzeuger und ich von einer anderen Band abgeworben, die damals schon Fernsehauftritte hatte. Leider wurde bis auf ein paar wenigen vielversprechenden Proben nichts aus dieser Konstellation und ich machte dann eine Zeitlang nur für mich allein Musik.


DIY


Mit einem Tascam 4-Spur Kassetten Recorder war ich in der Lage mehrere Spuren hintereinander aufzunehmen und dann zeitgleich übereinander zu legen. Mit Drumcomputer, E-Gitarre, Bass und Gesang produzierte ich meine ersten eigenen Songs. Diese Demo-Tapes schickte ich dann per Post an verschiedene Adressen, in der Hoffnung einen Plattenvertrag zu bekommen. Aber bis auf eine Rezension in einem kleinen Fanzine wurde erstmal nichts aus meiner Popkarriere.


Hard'n'Heavy


Mittlerweile besuchte ich die höhere Handelsschule in Düsseldorf. Meine Kumpels hörten alle Metal, was mich zu meiner nächsten musikalischen Phase brachte. Ich hörte Alben von Metallica, Slayer und Guns N'Roses. Aber auch nicht ganz so bekannte Bands wie Voivod, Prong und Jingo de Lunch hatten es mir ziemlich angetan.
Zu dieser Zeit spielte ich in recht vielen Formationen. Wir probten im Konsum in Düsseldorf, wo es eine Menge Proberäume gab. Dementsprechend gut war man vernetzt und die Musikszene sehr vielfältig. Es gab viele interessante, sehr individuelle Bands, die heute leider kaum noch einer kennt.


Jazz und Halbstark


Nach dem Fachabitur fing ich dann mit dem Zivildienst an. Und ich begeisterte mich für eine neue Art Musik: Jazz. Ich weiß gar nicht, ob ich die Musik eigentlich so gut fand, aber ich wollte dieses schräge Zeug unbedingt verstehen. Eigentlich hatte ich bis dato wenig theoretische Grundlagen für jegliche Art von Musik und das nervte mich.


Ich sparte während meines "Zuvieldienstes" etwas Geld und am Ende des letzten Arbeitstags in der Großküche eines Altenheims lief ich völlig naiv in ein Geigenbauatelier und kaufte mir einen Kontrabass. Das Instrument war aus Sperrholz und nicht besonders gut. Aber ich übte mir im wahrsten Sinne des Wortes die Hände blutig an dem Instrument. Ich hatte nicht gedacht, dass die Unterschiede zwischen E-Bass und Kontrabass so groß sind.


Unterricht hatte ich immer noch bei Frank und er fragte mich, was ich nach dem Zivildienst denn jetzt machen wolle. Er hätte da nämlich eine Anfrage von einer Band, die einen Kontrabassisten suchen. Da er selbst keine Zeit hatte, könnte ich mich doch mal vorstellen. Ach so, und die Gigs seien auch ganz gut bezahlt. Geld fürs Spielen kriegen? Wie geil ist das denn!


Also rief ich beim Bandleader an, um eine Audition zu bekommen. Die Band hieß „Willi und die Halbstarken“ und die machten Rock’nRoll im Stile der 50er Jahre mit deutschen Texten. Das Vorspielen lief gut, nur irgendwann fragte mich der Bandleader, wie es denn mit meinem Gesang aussehen würde. Der Job würde nämlich voraussetzen, dass ich Background singe. Ich habe bis heute keine Ahnung, warum es funktioniert hat. Wahrscheinlich habe ich beim Singen wie ein jaulender Hund geklungen und die Jungs hatten Mitleid mit mir. Auf jeden Fall musste ich jetzt lernen, wie man Bass spielt und gleichzeitig singt. Unser Bandleader Willi schrieb tolle Arrangements und der Gesang war für uns als Trio meistens dreistimmig gesetzt. Ich musste ganz schön reinhauen, aber irgendwann klangen wir ziemlich gut.


Wir waren dann fast jedes Wochenende unterwegs und ich bekam einen Eindruck davon, wie sich das „Tour Life“ als Musiker anfühlt. In dieser Formation wurde ich auch das erste Mal nach Autogrammen gefragt. Ganz schön cool!


Big Band Bande


Da ich immer noch sehr interessiert an diesem Jazz Zeugs war, meine Fähigkeiten am Kontrabass aber weiterhin ausbaufähig, suchte ich mir Hilfe. Die fand ich bei Norbert Hotz. Bei ihm lernte ich die Feinheiten des Instruments und bekam Einsicht in die Welt der improvisierten Musik. Parallel hatte ich auch noch klassischen Kontrabassunterricht, was wieder eine ganz anderes Ding war. Ich bemerkte, wie unterschiedlich Musiker aus verschieden Genres denken.
Norbert machte mir dann den Vorschlag, ich solle bei Jugend Jazzt mitmachen, was ich auch tat. Eigentlich finde ich es bis heute seltsam Wettbewerbe für Musik auszurichten. Aber ich holte am Bass den ersten Platz und fühlte mich natürlich gebauchpinselt.
Und dann kam auch schon die Anfrage der damaligen Big Band der Clara-Schumann Musikschule unter der Leitung von Hajo Böhm.


Das erste Vorspielen lief so ab: im Raum waren knapp 20 routinierte Jazzmusiker:innen und ich bekam eine Mappe mit über 300 Stücken auf den Notenständer gelegt. Dann wurde eine Zahl ausgerufen (die Stücke waren alle durchnummeriert) und los ging es! Ach du Scheibe, Blattlesen war jetzt nicht so meine Stärke. Glücklicherweise hatte Norbert mit mir schon einiges an Gehörbildung gemacht. Er betonte immer wieder, wie wichtig es sei, Akkorde und Melodien erkennen zu können. Also fuschte ich mich durch und durfte wiederkommen. Die Mappe konnte ich mit nach Hause nehmen und jetzt war Sightreading, also Noten vom Blatt lesen, angesagt. Mit dem richtigen Konzept ging es dann auch erstaunlich schnell voran. Denn leider hatte ich in meiner Schulzeit im Musikunterricht einen komplett falschen Ansatz beigebracht bekommen.


Ich habe die Zeit in der Big Band sehr gemocht. Wir spielten eine Menge Konzerte und zu den Höhepunkten zählte eine Tournee durch Portugal. Mit so vielen Freunden und Musikerkollegen durch die Welt zu reisen und gemeinsam Musik zu machen, das war einfach genau das, wovon ich immer geträumt hatte.


Parallel kamen dann immer mehr Anfragen von anderen Musikern hinzu. Ich war richtig gut beschäftigt und lebte fast ausschließlich von Live-Auftritten. Ich unterrichtete damals zwar auch schon ein wenig. Das lief aber eher so nebenbei.


Erste Krisen, neue Wege


Als dann Anfang der 2000er bedingt durch die wirtschaftlich schwierige Lage die Nachfrage für Auftritte stark abnahm und es immer schwieriger wurde nur von Konzerten und CD-Verkäufen zu leben, sah ich mich nach Alternativen um.
In Düsseldorf fing ich an einer privaten Musikschule an Bass und Gitarre zu unterrichten. Außerdem gab ich Gruppenkurse für E-Bass an der Volkshochschule Düsseldorf.
Ich merkte auf einmal, wie sehr mir das Unterrichten Spaß machte. Ich konnte das weitergeben, was ich bei meinen Lehrern, Mitmusikern und aus meinen eigenen Erfahrungen gelernt hatte und direkt Erfolge sehen. Darüber hinaus hatte ich noch Zeit an meinen eigenen Kompositionen und Ideen zu Hause zu arbeiten.


Ich spielte zwar immer noch einige Jazz Gigs am Kontrabass, verlor aber etwas den Spaß an dem Instrument. Meistens wurden auf solchen Auftritten immer die gleichen Nummern aus dem Real Book gespielt und nur noch Walking Bass spielen, war für mich jetzt auch nicht der Weisheit letzter Schluss.
Ich war jetzt Teil der Düsseldorfer Jazz Szene und bekam relativ wenig Angebote von Musikern, die stilistisch in anderen Genres unterwegs waren.
Im Gegensatz zu vielen meiner Jazz Kollegen, hörte ich nach wie vor auch Rock, Reggea, Metal, Funk, Hip-Hop, Blues, Latin, Elektro, whatever. Wenn es gut gemacht ist, kann ich mich für fast jeden Musikstil begeistern.


Zu dieser Zeit begannen Bassisten wie Matt Garrison, Gary Willis, Squarepusher, Marcus Miller, Tony Grey, Doug Wimbish und viele andere Musiker, die ich gut fand, ihre eigene Musik im Homestudio zu produzieren.
Die Technik dafür war jetzt bezahlbar geworden und man brauchte sich kein teures Studio mehr für seine Recording Sessions mieten oder sich von einem Produzenten in seine künstlerischen Visionen reinquatschen lassen. Zudem bot einem das Internet die Möglichkeit an, sich selbst zu vermarkten.


Studio Time


Ich verscherbelte meinen Kontrabass und kaufte mir dafür einen Macintosh Rechner, mit dem ich Musik aufnehmen konnte. Dann schaffte ich mir HTML drauf und programmierte mir eine Website. Das war der Startschuss für mein erstes eigenes kleines Studio „Benders Room“.


Zeitgleich merkte ich, dass mir das Konzept an den Musikschulen, bei denen ich angestellt war, immer weniger zusagte. Die Ausstattung für Bass war mehr als bescheiden. In meinem Studio konnte ich Drumbeats programmieren oder Playbacks über meine DAW (Digital Audio Workstation) laufen lassen, zu denen meine Schüler:innen spielen konnten. Ich war in der Lage am Rechner Basslinien herauszuhören, zu notieren und auszudrucken. Mit dem Keyboard lehrte ich Harmonielehre und Gehörbildung.
Wenn ich meine Vorgesetzten an den Musikschulen darauf ansprach, doch mal in etwas Equipment für die Bassisten zu investieren, hieß es immer, dafür sei kein Geld da. Das konnte ich nicht nachvollziehen. Immerhin zahlten die Schüler ja für den Unterricht.
Ich kündigte alle meine Jobs als angestellter Musiklehrer und machte mich selbständig, indem ich jetzt nur noch in meinem eigenen Studio unterrichtete. Das lief so gut, dass ich 2009 in ein größeres Studio umziehen konnte, das „Studio 147“. Seitdem bestreite ich meinen Lebensunterhalt mit unterrichten, produzieren, transkribieren, arrangieren, komponieren und live spielen.


Mind Games


Der Bassunterricht nahm einen immer größeren Teil meiner Arbeit ein und ich merkte mit der Zeit, dass die technische Seite des Musizierens eigentlich nur einen recht geringen Teil beim Erlernen eines Instruments ausmacht. Manche Schüler, die ich für sehr talentiert hielt, machten relativ wenig Fortschritte. Während Schüler mit vielleicht etwas weniger Begabung auf einmal unglaublich große Sprünge nach vorne machten, die Talentierteren sogar überholten. Wie konnte das sein?
Auch ich selbst machte die Erfahrung, dass einige Auftritte manchmal sehr gut liefen und dann andere wieder nur so mittelgut. Und das hatte nichts mit der Vorbereitung für den Gig zu tun, die ich im Vorfeld geleistet hatte.


Die Psychologie, die hinter dem Musizieren und Erlernen eines Instrumentes steht, begann mich mehr und mehr zu interessieren. Zuerst fragte ich meine Lehrer- und Musikerkollegen nach Ratschlägen und bekam ziemlich unterschiedliche, teils fragwürdige Antworten. Nur wenige Lehrer, die ich angesprochen hatte, schienen sich für solche Fragen zu interessieren.
Ich suchte nach Büchern zum Thema Musikpsychologie und musste feststellen, dass das Angebot sehr übersichtlich war. Allerdings wurde ich im Bereich der Sportpsychologie, Wissenschaft und Philosophie fündig. Und ich stellte fest, dass sich viele Konzepte aus anderen Bereichen sehr gut auf Aspekte des Musizierens übertragen ließen. Das ist bis heute ein Thema, was mich sehr umtreibt. Ständig lerne ich neue Dinge dazu und versuche diese Ansätze in meinen Unterricht, meine Musik und in mein Leben zu integrieren.


Studio in Wuppertal


2020 musste ich aus meinem Studio in Düsseldorf ausziehen und mir einen neuen Standort suchen. Ich hatte jetzt fast mein ganzes Leben meine Basis in Düsseldorf gehabt und es war mal Zeit für etwas Neues. Meine Frau und ich schauten uns in einigen Städten um und fühlten uns auf Anhieb sehr angetan von Wuppertal. Seit Ende des Jahres 2020 lebe ich sehr gerne im Stadtteil Elberfeld und habe dort mein drittes Studio „Studio Drei“ eröffnen können.